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Lana

Die Geschichte von Lana ...

Die Schere zu den Gleichaltrigen geht immer weiter auseinander

Was für eine schöne und unkomplizierte Schwangerschaft. Außer, dass sich unser Baby im Bauch nicht drehen wollte und somit in der 39. SSW geplant per Kaiserschnitt geholt wurde, war alles perfekt. Lana wurde geboren. Ein Wunschkind. Sie war gut gewachsen und es gab keinerlei Auffälligkeiten. Als ich mit Lana in die Krabbelgruppe ging, fiel mir auf, dass sie sich nicht wie andere Kinder auf den Bauch drehte. Sie schaute in Rückenlage in die Luft und spielte mit ihren Händen. Mehr passierte nicht.

Schnell bekam Lana Physiotherapie verschrieben – nach Bobath. Lana krabbelte kaum und es dauerte bis zu ihrem 2. Lebensjahr, bis sie anfing zu laufen. Alles was sie tat, sah schwerfällig aus. Alleine eine Rutsche besteigen oder zu Schaukeln war ohne Hilfe und Anleitung nicht möglich. Aber warum redete sie so gut wie gar nicht? Wir wurden vertröstet. Manche Kinder brauchen einfach etwas länger, hieß es. Natürlich, dachten wir, nicht jedes Kind ist schließlich gleich.

In der Kindergartenzeit,

als wir Vergleiche zu anderen Kindern ziehen konnten, wurde es sehr deutlich. Unser Kind war irgendwie anders. Zu den motorischen und sprachlichen Einschränkungen kamen Verhaltensauffälligkeiten ans Licht. Lana war sehr ruhig, zurückgezogen und schnell überfordert. Neue Situationen waren für sie ohne Beistand schwer zu bewältigen.

Wir bekamen den Tipp, uns im nächstgelegenen Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) vorzustellen. Was für ein Segen!

Wir hatten zum ersten Mal das Gefühl, dass wir richtig verstanden werden. Wir mussten gar nicht viel erklären oder uns rechtfertigen. Lana bekam endlich eine Diagnose: verbale und motorische Dyspraxie. Eine genetische Testung blieb unauffällig. Warum gerade unsere Tochter diese Krankheit hat, wissen wir bis heute nicht. Noch heute klingt die Erklärung des behandelnden Arztes im SPZ bei mir nach: „Sehen Sie es als eine Laune der Natur.“ Mit dieser simplen Erklärung können wir bis heute sehr gut leben.

Mittlerweile ist Lana 8 Jahre alt.

Wir haben drei Sprachheilrehabilitationen hinter uns. Sie macht seit nunmehr fünf Jahren wöchentlich Logo- und Ergotherapie. Sie hat einen GdB 50 mit dem Merkzeichen „H“ (für Hilflos). Sie kann sich mittlerweile recht gut artikulieren, hat die Sprache weitgehend erworben. Grammatik, Satzstellungen und das Lesen bereiten noch große Schwierigkeiten.

Motorisch sind ihre Defizite vor allem im Alltag sichtbar: Knöpfe schließen fällt schwer, ein Krümel von der Zunge lecken funktioniert nicht. Einen schmalen Pullover alleine über den Kopf ausziehen bereitet Schwierigkeiten, Haare selber waschen ist nicht zu koordinieren, Fahrrad fahren ist noch nicht möglich. Malen tut sie wie ein Kleinkind. Emotional ist sie etwas stärker geworden, aber sie kommt immer wieder an ihre Grenzen. Nachts will sie nicht alleine in ihrem Zimmer schlafen. Unvorbereitete oder neue Situationen kann sie ohne Eltern nicht bewältigen. Sie besucht zurzeit (Ende 2019) die 2. Klasse in einer Regelschule mit einer Schulbegleitung. Sie ist im Klassenverband gut integriert, sie wird inklusiv beschult.

Aber was heißt das?

Sie bekommt andere, inklusive Hefte, bekommt mehr Zeit das Neue zu erlernen. Sie hat einen Nachteilsausgleich. Aber die Schere zu den Gleichaltrigen geht immer weiter auseinander. Lesen bereitet ihr dabei die größten Schwierigkeiten. In Mathematik rechnet sie im Zahlenraum bis 20 immer noch unsicher. Aber sie hat auch große Probleme beim Aufgabenverständnis und bei der Merkfähigkeit. Warum die Politik die Schulen mit der Umsetzung des Projektes Inklusion so alleine lässt, können wir nicht nachvollziehen und macht uns wütend.

Wir bekommen zunehmend das Gefühl, einen anderen Weg einschlagen zu müssen. Vielleicht ist eine Förderschule doch eher das Richtige für unsere Tochter. Leider gibt es in unserem Landkreis keine Förderschulen die so breit aufgestellt sind, dass sie einen Förderbedarf im motorischen, sprachlichen und Lernhilfe-Bereich abdecken können.

Und wieder stehen wir vor neuen Entscheidungen!

Eigentlich nichts Neues, schließlich mussten wir uns die letzten 8 Jahre stets neu auf unser Kind einstellen. Wir tun das als Eltern natürlich aufopferungsvoll.

Leider sind wir auf unserem Weg auch oft an unsere Grenzen gestoßen. Wir fühlten uns immer wieder unverstanden. Wir hatten den Eindruck, die Krankheit wird nicht ernst genommen. Zu wenig ist in unserer Gesellschaft darüber bekannt. Wir sind dankbar, dass wir vor einigen Jahren auf die Internetseite „dyspraxie-online.de“ gestoßen sind. Es tat sich für uns ein Fenster auf: Wir waren nicht alleine. Darüber hinaus gab und gibt es zum Glück auch viele Menschen, die an unserer Seite waren und sind. Ärzte, Therapeuten, das Frühförderzentrum, aber auch Lehrer, enge Freunde und nicht zuletzt die Familie.

Es lohnt sich zu kämpfen und sich Gehör zu verschaffen. Unsere Tochter zeigt uns täglich, wie schön es sein kann, anders zu sein!