Anziehen und Kleidung
Anziehen als tägliche Hürde
Für Menschen mit Dyspraxie stellt das tägliche Ankleiden oft eine regelmäßige Herausforderung dar. Was für die meisten eine selbstverständliche Routine ist, wird für Betroffene zu einer komplexen Aufgabe, die mit Frustration und erheblichem Mehraufwand verbunden ist. Einige Einschränkungen in diesem Umfeld werden nachfolgend kurz benannt und erläutert.
Bewegungsplanung
Dyspraxie beeinträchtigt die Fähigkeit, Handlungsabläufe zu planen und in die richtige Reihenfolge zu bringen. Betroffene wissen zwar, dass sie sich anziehen müssen, aber die einzelnen Schritte – erst die Unterwäsche, dann das T-Shirt, dann die Hose – können durcheinandergeraten. Dies kann dazu führen, dass Kleidungsstücke in der falschen Reihenfolge oder sogar auf links oder verkehrt herum angezogen werden.
Eingeschränkte Körperwahrnehmung
Ein weiteres Kernproblem ist die mangelnde Wahrnehmung des eigenen Körpers im Raum. Menschen mit Dyspraxie haben oft Schwierigkeiten einzuschätzen, wo sich ihre Gliedmaßen befinden, ohne hinzusehen. Dies erschwert das gezielte Einführen von Armen in Ärmel oder Beinen in Hosenbeine erheblich und kann zu einem Gefühl der "Verknotung" führen.
Feinmotorik
Das Hantieren mit kleinen Gegenständen ist für Menschen mit Dyspraxie eine klassische Herausforderung. Knöpfe zu schließen, Reißverschlüsse hochzuziehen oder Schnürsenkel zu binden, erfordert eine präzise Koordination von Fingern und Händen, die ihnen schwerfällt. Diese Tätigkeiten sind oft zeitaufwändig und führen zu unsauberen Ergebnissen, was besonders im Beisein anderer als peinlich empfunden werden kann.
Grobmotorik und Gleichgewicht
Das Anziehen erfordert auch grobmotorische Fähigkeiten und einen guten Gleichgewichtssinn. Auf einem Bein zu stehen, um eine Hose anzuziehen, oder sich zu bücken, um Socken über die Füße zu streifen, kann zu Wackeln und Stürzen führen. Diese Instabilität macht den gesamten Ankleideprozess unsicher und anstrengend.
Schnelle Ermüdung
Der Ankleidevorgang ist für Menschen mit Dyspraxie mental und physisch extrem anstrengend. Die ständige Konzentration, die für die Planung und Ausführung der Bewegungen erforderlich ist, führt zu schnellerer Ermüdung. Dies kann den Start in den Tag bereits negativ beeinflussen und die zur Verfügung stehende Energie für Schule, Arbeit oder soziale Aktivitäten reduzieren.
Überempfindlichkeit
Viele Menschen mit Dyspraxie haben auch sensorische Verarbeitungsprobleme. Bestimmte Stoffe, Nähte oder Etiketten in der Kleidung können als extrem störend oder sogar schmerzhaft empfunden werden. Dies schränkt die Auswahl an tragbarer Kleidung stark ein und kann zu erheblichem Unbehagen im Alltag führen.
Visuelle Verarbeitungsschwierigkeiten
Die visuelle Unterscheidung von Vorder- und Rückseite oder von rechts und links bei Kleidungsstücken kann eine große Hürde sein. Auch das Erkennen des richtigen Schuhs für den richtigen Fuß stellt oft eine tägliche Herausforderung dar. Selbst wenn die motorischen Fähigkeiten ausreichen würden, verhindert die fehlerhafte visuelle Interpretation ein korrektes Anziehen.
Zusätzliche soziale und emotionale Folgen
Die tägliche Konfrontation mit den eigenen Schwierigkeiten beim Anziehen kann das Selbstwertgefühl stark beeinträchtigen. Betroffene schämen sich für ihre "Ungeschicklichkeit", werden möglicherweise von Gleichaltrigen gehänselt und entwickeln Vermeidungsstrategien. Dies kann von der Wahl besonders einfach anzuziehender Kleidung (z.B. Schlupfhosen und T-Shirts) bis hin zur sozialen Isolation reichen.